2/6-Anteil an Ruine sorgt für Dauerzoff

Finanzamt wird Haus in Forstmehren nicht los - Gericht sucht in Chicago

Das Haus in Forstmehren steht da wie die Kulisse für eine kleine griechische Tragödie. Oder Komödie? Alles wartet auf den großen Crash, aber keinem aller Beteiligten ist Schuld anzulasten an einer teuren und hässlichen Misere, die letztendlich den Steuerzahler doch teuer zu stehen kommt.

FORSTMEHREN. Forstmehrens Ortsbürgermeister Erhard Burmester platzte der Kragen. Arbeiter vom Altenkirchener Bauhof waren gekommen, um den garstigen Metallzaun vor dem noch garstigeren Haus in der Schulstraße zu entfernen. "Endlich wird der alte Schandfleck abgerissen", jubelte Burmester zusammen mit seinen Dorfbewohnern. Doch zu früh gefreut: Ein zweiter Trupp rückte an und errichtete an der Stelle des klobigen Zauns einen neuen Maschendrahtverhau. Der Traum vom Abriss des alten Gemäuers rückte in noch weitere Ferne.

Das alte, seit über zehn Jahren leer stehende Haus in Forstmehren gehört - ganz wie man es sehen will - dem Finanzamt, dem Fiskus oder halt der Allgemeinheit. Allerdings nur zu vier Sechsteln. Diese Anteile waren vor Jahren in den Besitz des Landes übergegangen, weil Mitglieder einer Erbengemeinschaft ihren Nachlass ausgeschlagen hatten. Die letzte Besitzerin des Hauses ist bereits 1947 verstorben. Ihre Nachkommen wollten sich weder um Renovierung noch um die Beseitigung des Gebäudes kümmern, dessen verbliebener Wert samt Grundstück inzwischen auf gerade mal 10 000 Euro geschätzt wird.

Zwei Sechstel fehlen

Die übrigen zwei Sechstel aber werden allen Beteiligten - den aufgebrachten Forstmehrenern, den Beamten im Altenkirchener Finanzamt und im Amtsgericht und nicht zuletzt dem gebeutelten Steuerzahler - zum Verhängnis. Die Zahl möglicher Erben, die Anspruch auf diese zwei Sechstel und somit auf einen Anteil an lumpigen 3300 Euro haben, wird immer größer und zugleich immer schwieriger zu ermitteln: "Wir forschen mittlerweile nach Kindern und Kindeskindern. Der Vorgang füllt ganze Aktenberge. Mein Vorgänger hat schon Jahre damit zu tun gehabt", berichtet die Rechtspflegerin für Nachlasssachen im Altenkirchener Amtsgericht. Mit gleich fünf solcher "Altertümchen" im Kreis muss sich die Juristin beschäftigen. "Das Ganze ist längst entgleist. Im Prinzip ist es ein Witz!"

Die Rechtspflegerin streckt ihre Fühler sogar bis nach Chicago aus, da offiziell leider bekannt ist, dass eine Verwandte der verstorbenen Hausbesitzerin einst in die USA ausgewandert war. Die Dame stammt noch aus dem 19. Jahrhundert und ist aller Wahrscheinlichkeit längst verblichen; sie kann aber eine große Sippschaft hinterlassen haben, die theoretisch auf ihren Anteil an dem Forstmehrener Grundstück Anspruch erheben könnte.

Sowohl im Amtsgericht wie im Altenkirchener Finanzamt ist sich jeder klar darüber, dass hier niemals eine Lösung des Problems gefunden wird. "Aber uns sind die Hände gebunden", beschreibt es Klaus Roßbach, Geschäftsstellenleiter der Steuerbehörde. "Solange wir nicht alleiniger Eigentümer des Anwesens sind, können wir nicht über die Sache verfügen. Sprich: Wir dürfen das verfallende Haus nicht abreißen lassen."

Im Übrigen ist es keine Seltenheit, dass Nachlässe in den Besitz der Allgemeinheit übergehen. Das geschieht auf Anordnung des Amtsgerichts, wenn Erben den Nachlass ausschlagen oder keine Erben vorhanden sind. "Das passiert etwa sechs bis acht Mal im Jahr", berichtet Roßbach. Wenn rechtmäßige Erben ihr Erbe aber ausschlügen, dann hätte das in der Regel auch seinen Grund. "Da ist dann nichts zu holen. Wer vererbt dem Finanzamt schon freiwillig seine Reichtümer?", scherzt Roßbach. Im Gegensatz zu Privatpersonen haftet der Fiskus gegenüber Gläubigern aber nur bis zur Höhe des verbliebenen Vermögens. Für Prasser und Schuldenmacher muss der Fiskus folglich nicht die Rechnung zahlen. Dennoch verursachen ungeliebte Nachlässe eine Menge Kosten durch teilweise erheblichen Verwaltungsaufwand - siehe die Ruine in Forstmehren.

Allen Beteiligten, also nicht nur den Nachbarn des Trümmergrundstücks, wäre es längst am liebsten, das Häuschen würde einfach per Baggereinsatz verschwinden. Eine kleine Hoffnung im Finanzamt und im Amtsgericht regte sich Anfang 2004, als das Rathaus in Altenkirchen im Rahmen der "Verkehrssicherungspflicht" eine Gefährdung der Passanten durch das verfallende Gemäuer feststellte.

3000 Euro Zaun-Miete

Doch statt das Haus nun endlich per amtlicher Anordnung verschwinden zu lassen, stellte das Bauamt nur den anfangs erwähnten Metallzaun auf. "Wir dürfen nur die notwendigen Maßnahmen treffen, die die Sicherheit wieder gewährleisten. Ein Zaun reichte hier aus", hieß es dazu im Bauamt. Den Service fürs Finanzamt gab es allerdings nicht zum Nulltarif - die Beamten im Bauamt stellten den Kollegen in der Steuerbehörde monatlich 234 Euro Mietkosten in Rechnung. Hinzu kamen die Aufbaukosten. Das machte pro Jahr die stolze Summe von fast 3000 Euro für "Zaun-Leasing" aus, für die wiederum der Steuerzahler aufkommen musste. Nach zwei Jahren kam das Finanzamt dann aber auf die Idee, das ungeliebte Anwesen lieber selbst vergattern zu lassen. Für den Maschendraht zahlte der Fiskus dann schlappe 1600 Euro. Das Finanzamt wollte also nur sparen - brachte aber die Gemüter in Forstmehren noch mehr in Wallung.

"Da wird jetzt auch nicht mehr auf Kosten der Gemeinde Schnee geschippt", zürnt der Ortsbürgermeister. Und im Finanzamt antwortet man demütig: "Wenn Herr Burmester eine Rechnung stellt, müssen wir auch diese bezahlen."

Kein Ausweg also aus der verfahrenen Situation, obwohl doch jeder in dem kleinen Drama nur das Beste will und wollte. Letztlich setzen alle ihre Hoffnung auf die irdische Vergänglichkeit. Bevor einmal Briefe aus Chicago eintreffen, wird das Problem sich wohl von selbst lösen: mit einem großen Crash.

   Bernd Hillebrand

 

 

http://rhein-zeitung.de/06/03/10/HA/00000003.html
10.03.2006 © RZ-Online (www)
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