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Kasperle oder der Stellvertreter
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Helmut
Vollmer schreibt Stücke für die Puppenbühne - "Auch Politiker haben
durchaus etwas vom Kasper an sich" Der
Forstmehrener Diplom- Psychologe Helmut Vollmer schreibt Stücke für
Kasperletheater und führt sie zusammen mit Leuten aus dem Dorf auch auf. Wie
nicht anders zu erwarten, geht es ihm nicht um vordergründigen Klamauk,
sondern um tiefere Einsichten in das Wesen des Spiels: die Puppe als
Stellvertreter und die Projektion von Wünschen. FORSTMEHREN.
Seit früher Jugend und auch beruflich hat sich der Psychologe Helmut Vollmer
mit dem Puppenspiel beschäftigt. Sein neuestes Werk für die Puppenbühne ist
"Die dumme Kuh", wo es ihm um den Abbau von Vorurteilen geht. Was
fasziniert Sie am Puppenspiel? Puppenspiel
macht mir einfach Freude. Es handelt sich um eine faszinierende Möglichkeit,
Kinder direkt anzusprechen und, anders als etwa beim Fernsehen, in Gespräche
zu bringen. Die Art der Darstellung kommt ursprünglich in verschiedenen
Varianten aus Fernost. Hintergrund ist der Glaube an die Anwesenheit von
Dämonen, die es mit dem Puppenspiel günstig zu stimmen gilt. Um der Gefahr zu
entgehen, persönlich den Unwillen der Geister auf sich zu ziehen oder gar von
ihnen in Besitz genommen zu werden, bediente man sich der Puppen. Eingesetzt
wurden und werden sie bei Feiern religiöser oder familiärer Art. In Europa
gab es schon in der Antike Puppenspiel, das überwiegend der Unterhaltung
diente und auch Fruchtbarkeits- Symbolik enthielt. Der
Kasper erscheint im Mittelalter als Abbild des Hofnarren oder Hanswurst, der
alles sagen darf, ohne den Kopf zu verlieren. Der Schauspieler bleibt anonym,
es weiß niemand, wie auch bei maskierten Dartellern, wer dahinter steckt. Da Sie
selbst Stücke für Puppenspiel schreiben, wollen Sie sicher auch etwas sagen,
ohne erkannt zu werden. Meine
Urheberschaft halte ich ich nicht verborgen, wobei in Stücken für Erwachsene
durchaus satirische Elemente vorkommen. Wie in meinem jüngsten Stück
"Die dumme Kuh", wo der König nicht mehr mit Majestät, sondern mit
Herr Köhler angesprochen werden möchte. Politiker haben durchaus etwas vom
Kasper an sich. Auch sie müssen unterhaltsam sein und sind nur so lange
erwünscht, wie sie die Erwartungen des Publikums und ihre Versprechen
erfüllen. Sonst kommen sie schnell in die Rolle des Teufels. Mein Publikum
sind allerdings die Kinder. Wie
finden Sie als Erwachsener in die Welt der Kinder? Es ist ja
oft vom Kind im Manne die Rede. Was mich angeht, so versuche ich, mir einen
Teil der Kindheit zu erhalten. Dabei helfen mir die Puppen. Sie sind das
Medium zu den Kindern hin und ein wunderbares Mittel der Verständigung.
Kinder reagieren spontan auf Puppen und oft viel intensiver als
beispielsweise auf Schauspieler. Die Puppen sind nicht so riesig und erinnern
an ihre Lieblingspuppen oder Kuscheltiere, mit denen sie sich ja durchaus
unterhalten. Über Puppen und durch sie lässt sich mit Kindern reden. Also
verstecken Sie doch zumindest Ihr Alter hinter den Puppen? Das ist
klar. Am Wesen des Puppenspiels haben die Zeiten ja nichts geändert. Immer
noch sind Stellvertreter am Werk, hinter denen die eigentlichen Macher
verborgen bleiben. Als Erwachsener ziehe ich die Fäden, zeige mich aber
nicht, weil das die Kinder vielleicht gegen mich einnehmen könnte. Andere,
nämlich die Puppen, nehmen den Kontakt für mich auf, doch in meinem Sinne. Sie
wollen die Kinder also durchaus beeinflussen? Ich will
es nicht, sondern tue es, indem ich die Erwartungen der Kinder an das
Puppenspiel erfülle. Dabei bewege ich mich durchaus auch in einem
erzieherischen Rahmen und muss mir meiner Verantwortung stets bewusst
bleiben. Schließlich geht es im Kasperletheater ja immer wieder um Gutes und
Böses in deutlicher Abgrenzung. Dabei sind heutige Maßstäbe anzulegen, denn
die früher unbedenklichen Diskriminierungen bestimmter Personen, Religionen
oder ethnischer Gruppen haben auch im Kasperletheater keinen Platz mehr. Auch
die auf der Puppenbühne üblichen drakonischen Strafen lasse ich ausfallen, um
keine Aggressionen zu fördern, die ja durch entsprechende Vorbilder angeregt
werden können. Etwa durch einen Kasper, der als Verkörperung des Guten
ständig herumprügelt. Sie
projizieren also Ihre Wünsche über das Medium Puppenbühne auf die Kinder? Auch das
liegt in der Tradition des Puppenspiels, des Kaspers und des Hanswursts. Die
Projektion findet übrigens auf beiden Seiten statt. Ich möchte die Kinder
unterhalten, auf gute Gedanken bringen, ihnen Mut machen und unaufdringlich
belehren, wie man zum Beispiel ein Problem lösen könnte. Die Kinder
ihrerseits wollen ihren Spaß haben und mehr oder weniger unbewusst auch eine
inhaltliche Entwicklung des Stücks im Sinne positiver Lebensziele. Warum
gibt es unter solchen Aspekten nicht mehr Puppenspieler? Vielen
Menschen ist nicht bewusst, was man mit Puppenspiel erreichen kann. Vielfach
herrscht auch eine unbegründete Scheu, sich zu exponieren, wobei hier
natürlich ein grundsätzliches Missverständnis vorliegt, denn das Puppenspiel
hält die eigene Identität ja gerade verborgen. Puppenspiel wäre heute in
vielen Familien ungeheuer wichtig, um den Kontakt zwischen Eltern und Kindern
zu erhalten und zu vertiefen. Die
Fragen stellte Klaus Holl |