Klangfülle unter dem Strohdach

 

 

In Forstmehren entsteht eine Kuppel aus Lehm und Stroh - Bauherr Thomas Kagermann will hier auch Konzerte veranstalten

Als Novum vermutlich ganz Deutschlands entsteht in Forstmehren eine Kuppel aus Lehm und Stroh. Bauherr Thomas Kagermann plant hier eine Musikkuppel. Mit dabei: namhafte Lehmbauexperten aus dem In- und Ausland. Ultramarinblau soll sie schon bald hoch oben über den Kuhweg ragen, die Musikkuppel mit dem außergewöhnlichen Innenleben. Ultramarinblau nämlich ist die Folie, die über das ganze Gebilde gezogen wird. Und wenn dereinst Efeu an den Wänden rankt, dann verspricht man sich die tollsten Effekte davon.

 

FORSTMEHREN.Es ist glühend heiß im Kuhweg, die Stimmung ist gut, und aus dem Schatten lässt sich trefflich die Arbeit unter der Sonne beobachten. Helfer klettern mit Strohballen über Leitern nach oben, zwängen die Ballen zwischen schmale geschwungene Leimbinder und gebogene dünne Sperrholzstreifen. "In Kuppeln entsteht ein spezieller Klang", erklärt Bauherr Thomas Kagermann. In Zukunft sollen hier Seminare zur Stimmentwicklung stattfinden und Konzerte, die die speziellen akustischen Eigenschaften der Kuppel ausnutzen: an jedem Punkt hört sich der Klang gleich an, weil er im Raum rund läuft. Deshalb klingen etwa Choräle besonders gut in Kuppeln.

Professor Gernot Minke von der Universität Kassel ist eine Kapazität auf dem Gebiet des ökologischen Bauens und hat viele Projekte mit Lehmtechniken, Dachbegrünungen und anderen Verfahren auf der ganzen Welt initiiert und begleitet. Der Strohballenbau ist für ihn auch noch relatives Neuland. "Es ist die erste Strohballenkuppel", erzählt der Professor, der inzwischen 20 Kuppeln gebaut hat.

Bauten dieser Art werden hierzulande nicht leicht genehmigt. Dabei haben Brandsicherheitstests positiv abgeschnitten. Lehmschichten auf beiden Seiten hielten Sauerstoff ab. Das bestätigt auch Frank Thomas, ein Australier, der zurzeit hierzulande ein internationales Treffen besucht. Thomas hat sich spezialisiert auf "straw bale constructions", also Strohballenkonstruktionen. In seinem Land müssten Bauten "buschfeuerfest" sein - kein Problem für Strohkonstruktionen. Vor drei Jahren baute man ein erstes Testhaus auf dem Uni-Gelände in Kassel, vergangenes Jahr folgte ein Strohballendorf für russische Kinder im ehemaligen Königsberg. Aus Kassel war übrigens ein ganzer Hilfstrupp angereist - neben Minke auch dessen wissenschaftlicher Mitarbeiter Friedemann Mahlke sowie einige Architekturstudenten.

Unterstützung aus der heimischen Lehmbauwirtschaft leistet Lehmkünstler Manfred Fahnert, der den Baustoff Stroh als nachwachsend und gut wärmedämmend lobt.

Die ungewöhnliche Kuppel, die einen Durchmesser von acht Meter 20 hat, wächst rasch nach oben. Aus dem Fundament aus Steinen streckt sich das Gerippe aus acht mal acht-Leimbindern in die Höhe, oben bleibt ein Durchlass von 1,80 Meter. Dort soll ein Oberlicht eingesetzt werden, so dass das Innere taghell erleuchten wird.

Die Holzkonstruktion ist so gut wie freitragend, zwischen die Sparren wird "Schaumglas" eingebracht, ein Recyclingprodukt, das mit Lehm gemischt wird. 48 Spannelemente halten die Kuppel zusammen und während mehr und mehr Strohballen eingeschoben werden, wird die Konstruktion immer stabiler, denn immer mehr Verspannungen werden zwischen Innen- und Außenschicht angebracht. Von außen wird so schnell wie möglich mit Lehm verschlossen, sonst müsste man den Bau bei Regen abdecken.

Auch Stroh am Boden

Zwei Tage für die Strohmontage, dann kommt die Dachabdeckung, schließlich wird an den Seiten Erde angeschüttet, damit der Hügel einem echten Erdhügel ähnlich wird. Der Fußboden im Inneren soll auch aus Strohballen sein, auf denen grobe Spanplatten schwimmend verlegt werden. Die Abendsonne lässt die Kuppel goldgelb aufglühen, Bauern fahren ihre Strohballen ein, und so schließt sich der Kreis. Verbaut werden - wegen des geringeren Feuchtigkeitsgehaltes - Ballen aus dem Vorjahr. Schön eigentlich, sagt Manfred Fahnert, dass gleich schon für Ersatz gesorgt wird.

Christa Theis

 

 

 

 

 

 

15.08.2003 © RZ-Online (www)

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