Nicht immer werden schöne Kapitel aufgeschlagen: Der 18-jährige Schüler Samad Berdjas stöberte in der Vergangenheit - Geschichte als Leidenschaft
Das Tagebuch der Zeit aufgeblättert. Den Wettbewerb mit Facharbeit verknüpft.
Aufbegehren, Handeln, Verändern - Protest in der Geschichte. Im Tagebuch der Zeit gibt es nicht nur schöne Kapitel. Schon immer standen Menschen für ihre Meinung und Rechte auf - auch mit Gewalt. Der 18-jährige Samad Berdjas untersuchte im Rahmen eines Schülerwettbewerbes einen Protest in der Vergangenheit unserer Heimat.

Von Daniel Haas

FORSTMEHREN Dass sich Jugendliche heute noch intensiv mit unserer Vergangenheit beschäftigen, ist selten. Mehr als die alten Aufnahmen ihrer Musikhelden oder die Geschichte der Fußball-Clubs interessiert sie oft nicht.

Der Schüler Samad Berdjas widerspricht dem Standard, Geschichte ist fast schon eine Leidenschaft für ihn. Die Ausschreibung des Schülerwettbewerbs Deutsche Geschichte der Hamburger Körber-Stiftung und des Bundespräsidenten - sein Geschichtslehrer hatte in der Schule darüber berichtet - begeisterte ihn daher sofort. Sehr gelegen: Er konnte den Wettbewerb mit seiner geplanten Facharbeit kombinieren.

"Das Thema stand für mich eigentlich sofort fest," berichtet der Schüler des Westerwald-Gymnasiums in Altenkirchen, "wir hatten damals kurz den Separatismus nach dem ersten Weltkrieg behandelt. Da entschloss ich mich, auf diesem Gebiet weiter zu recherchieren."

Nachdem ein anfänglicher Versuch im Oktober 1998, Material über den Separatismus in Altenkirchen und der näheren Umgebung nach dem ersten Weltkrieg zu finden, gescheitert war, dehnte er die räumliche Begrenzung seiner Arbeit aus. "Der Protest der Deutschen gegen den Separatismus im Rheinland nach dem Ersten Weltkrieg" lautete ab diesem Zeitpunkt der Arbeitstitel.

Die folgenden Monate bedeuteten für Berdjas eine Menge Arbeit. Umfassende Literatur zum Thema musste gelesen werden, damit sich der Schüler ein genaues Bild der Zeit machen konnte.

"Im nächsten Schritt habe ich Artikel aus den Kreisblättern von 1923 herausgesucht. Die habe ich dann gelesen, analysiert und eingeordnet" erzählt Berdjas von der weiteren Recherche im Kreisarchiv.

Besonders schwer gestaltete sich die Suche nach Zeitzeugen, Berdjas musste diesen Versuch schließlich aufgeben und feststellen, dass man auch den Nachkommen nichts oder nur wenig über diese Zeit erzählt hatte. Selbst mit Hilfe einer Anzeigenschaltung kam keine Resonanz. Berdjas, der später auch Geschichte studieren will, resümiert: "Das Thema hätte viel früher behandelt werden müssen. Heute kann man vieles nicht mehr rekonstruieren." Nach fast sechs Monaten Arbeit war es dann endlich soweit. Berdjas konnte seine Ergebnisse im März diesen Jahres bei der Stiftung und seinem Geschichtslehrer einreichen.

Nach langem Warten kam dann im September die Benachrichtigung, dass er einen Preis gewonnen hat. Zwar war es nicht die begehrte Audienz beim Bundespräsidenten, aber immerhin schaffte er es mit seinem Beitrag aus rund 1150 weiteren hervorzuragen und sich damit einen Buchpreis im Wert von 200 Mark zu verdienen.

"Am attraktivsten finde ich aber das Seminar- und Workshopangebot im In- und Ausland, welches den Preisträgern kostenlos zugänglich gemacht wird" freut sich der Hobbybasketballer Berdjas. "Aber," fügt der Nachwuchshistoriker hinzu, "was ich auch festgestellt habe: In der Vergangenheit unserer Region gab es nur wenige Proteste. Hier war es bisher ziemlich ruhig." (dh)

Rhein-Zeitung vom 15.10.1999